not one thing that you want is upstream
raum 13, Köln, 8. November - 15. Dezember 2013
von Carla Donauer
Die auratische Präsentation der Arbeiten, verspricht genau das: eine Konzentration auf das einzelne Objekt – nur ich und du.
Was ist es eigentlich was wir sehen? Wie verhält sich ein Ding zu seiner tatsächlichen Materialität und Deutbarkeit? Was bedeutet es also zu erkennen und zu deuten? Die Frage nach Signifikat und Signifikant stellt sich gewissermaßen skulptural in Gesine Grundmanns (*1974 in Köln) Arbeiten.
Dass Vorstellung und Wissen über etwas oft zwei verschiedene Dinge sind, lässt sich beispielsweise an einer der insgesamt sechs gezeigten Arbeiten der Ausstellung „fine o’clock “verdeutlichen: Die Platten, die sich hier als klassische Bildträger präsentieren, erscheinen zunächst wie minimal abstrakte Malereien, schaut man genauer hin glaubt man darin in Form gebrachte Baumrinde zu erkennen – hier tritt das Material als Ambivalent auf, handelt es sich doch tatsächlich um Polyester dessen Oberfläche mit Steinpulver bearbeitet wurde.
Die Frage nach Mimesis und Täuschung findet sich in vielen Arbeiten der Ausstellung und man mag es als Aufforderung verstehen: Die der Erkenntnisgewinnung durch das Überprüfen allgegenwertiger Seheindrücke.
Gegenüber befindet sich ein weißer Kubus territories, die dritte Dimension des Quadrats und Äußerung von Volumen – eine einfache geometrische Figur, ein wahrhaftiger White Cube. Diese Figur wird aufgebrochen durch eine fast gegenläufige Richtungsbewegung – die Welle, eigentlich ein dynamischer Prozess, wird hier an den Kanten zusammengeführt und hält den Zustand von ewiger Spannung, als wäre dies nichts mehr als eine Selbstverständlichkeit. Das ursprünglich simple Material des Wellblechs, das durch seine bearbeitete matte Oberfläche jegliche Spiegelung verschluckt, da der ehemals glänzende Kunststoff geschliffen wurde, verwandelt sich so in ein nahezu hochwertiges Material – mit einem Augenzwinkern wird hier das in Massenproduktion fabrizierte Nutzmaterial in neue Gebiete geführt.
Hingegen bei der für die Ausstellung entstandenen neuen Arbeit Upstream/Kappa ist das Material klar zu identifizieren, gar historisch: Eine seltene Art flachen Sedimentgesteins, welches als Abbruch, durchsiebt und geformt von Zeit und Gezeiten, an Küstenabschnitten Israels zu finden ist. Diese found-objects werden im Verbund auf einem Trägergrund, der sich vertikal in den Raum schiebt, zum bildhauerischen Artefakt. Das Material bringt seine eigene Information mit, die hier einerseits wissenschaftlich deutbar, aber auch im reinen „Sehen“ einen bildwerten Mehrwert generiert.
Diese Archäologie der Dinge findet sich gewissermaßen auch im Ausstellungsraum selbst wieder: Gesine Grundmann zeigt nicht nur ihre eigenen Arbeiten, sondern kreiert einen Dialog zwischen Arbeit und Raum, indem sie die ehemaligen Büroräume in ihre einzelnen Schichten zerlegt, die zeitlichen Abschnitte und die ehemalige Nutzung der Räume in ihrem Material freigibt. Jede Arbeit nimmt ihren Umraum in Beschlag - Material wurde entfernt, hinzugefügt, Raumteile durch Durchbrüche in ihrer urspünglichen Form verändert und so fast zum installativen Eingriff.
Grundmanns Arbeiten schreiben sich buchstäblich in den Präsentationsort des Raum 13 ein - was wir vorfinden ist ein gänzlich aufgeladener Ort mit seinen verschiedenen historischen Schichten, die sich dem Besucher in jeglicher materieller Form zeigen.
Eine Ökonomie des Materials findet sich auch in der Arbeit 147 – hier schieben sich Styrodurplatten so ineinander, das sie den Eindruck des „Gewachsen-seins“ hinterlassen, fliessend, Schicht um Schicht. Ähnlich wie bei territories kommen hier zwei unterschiedliche Bewegungen zusammen: Der formalen Setzung folgt die Bewegung im Material.
Diese Dualität von alltäglichem, einfachen Material, welches eine Verschiebung erfährt und andererseits die Transformation von werthaften Material in Einfaches fordert den Betrachter geradezu heraus das Gesehene zu erforschen, zu hinterfragen und die eigene Wahrnehmung zu testen. Ist das was ich sehe, das für das ich es halte? Dabei erschafft Grundmann eine minimale Bildsprache, die sich durch die Verschränkung von Materialdiversität und Design, Hochkultur und Handwerk auszeichnet.
Gesine Grundmann spürt in ihren Arbeiten das Potenzial von Material auf – indem sie Material austauscht, es ersetzt, auf- und abwertet, umdeutet und es schließlich auf die Probe stellt, was durch den zunächst kunstfernen Präsentationsort der ehemaligen Produktionsstätte für Motoren und seine räumliche Materialfülle noch unterstrichen wird.
So auch in der Arbeit Sunday Morning, einer Kollaborationsarbeit zwischen der Künstlerin und der Malerin Sabine Tress. Reste von Bildproduktion, eines künstlerischen Prozesses, Zufall und Lenkung kommen hier zusammen. Die Zeichenhaftigkeit der Stiefel, als trendiges Gebrauchsstück oder als das amerikanischste aller Symbole, tritt hinter ihrer Materialität zurück.
In diesem Umgang mit Skulptur liegt eine große Freiheit - Warum nicht heute mit Muscheltasche ausgehen?
Gesine Grundmann lebt und arbeitet in Köln und erhielt unlängst den Ida-Gerhardi-Preis. Sie studierte bei Rosemarie Trockel, Tony Cragg und Hubert Kiecol an der Kunstakademie Düsseldorf und am Goldsmith College London.
Sie hatte unter anderem Ausstellungen im Neuen Kunstverein Wuppertal; Galerie Vera Gliem, Köln; KIT-Kunst im Tunnel, Düsseldorf; Bonner Kunstverein; Museum Morsbroich, Leverkusen.
Mountomato
Artothek Köln, 4. März - 24. April 2010
von Thomas Hirsch
"Die Arbeit von Gesine Grundmann lässt sich gemeinhin den Bereichen Bildhauerei und Installation zuordnen. Im Besonderen mit den Verfahren des Gusses, der ausschnitthaften Abnahme und des collagenhaften Zueinanders spürt sie gesellschaftlichen Phänomenen nach. Ihre Hinwendung gilt den tagtäglichen Strukturen, denen sie sich in subtilen Abweichungen von der Realität nähert, die sie zitiert und die sie schließlich in ihren ursprünglichen Kontext rückführt. Zugleich evoziert sie Assoziationen und Bildvorstellungen zwischen Kunst- und Kulturgeschichte und zeitgenössischem Design; damit hinterfragt sie erst recht die Dinge, die uns umgeben, ihre Alltagsmaterialität und die Einrichtung in unserer Umwelt.
Ihren neueren Arbeiten liegt ein Stipendienaufenthalt in Tel Aviv zugrunde. Der Alltag im Straßenbild, die Architektur und die landschaftlichen Gegebenheiten bilden den Ausgangspunkt ihrer dortigen Recherche zur kulturellen und politischen Verfasstheit des Landes. Tageslicht, Moden und Rituale, Städtebau, Textur profaner Dinge, Farben, Druckfarben, schon die Fremdheit und Zeichenhaftigkeit der Schrift initiieren die Entnahme von ‚einfachen’ Formen und Nutzgegenständen, die sie in Tel Aviv gefunden hat. Ihre Arbeiten in der artothek vermitteln in ihrer bildlichen Anschaulichkeit die Verschiebung von Bedeutungen, im Zwiespalt zwischen Spezifik und Vertrautheit – im Verhältnis zur eigenen Kultur.“
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